Häufigste Fragen und unsere Antworten zu Equal Care

Für den englischen Begriff Care gibt es (noch) keine genau passende Übersetzung, und auch weil der Gender Care Gap ein globales Problem ist, halten wir daran fest. Damit nehmen wir in Kauf, dass manche, die von uns lesen, nicht über den Namen hinauskommen, weil sie ‚Care‘ mit Haushalt oder mit Pflege gleichsetzen oder sich aus anderen Gründen nicht angesprochen fühlen. Wenn Sie aber auf dieser Seite angekommen sind, möchten Sie mehr wissen über unsere Anliegen, und wir freuen uns, die häufigsten Fragen hier beantworten zu können.

Care-Arbeit beschreibt die unbezahlten und bezahlten (re-)produktiven Tätigkeiten des Sorgens und Sich-Kümmerns, ist Fürsorge und Selbstsorge. Sie beginnt mit der Begleitung und Versorgung Neugeborener und Gebärender, reicht über die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern im Vor- und Grundschulalter, die familiäre und professionelle Pflege und Unterstützung bei Krankheit oder Behinderung, über die Hilfe zur Selbsthilfe, unter Freund*innen, Nachbar*innen, im Bekanntenkreis, bis zur Altenpflege, Sterbebegleitung und Grabpflege. Der Care-Begriff, der der Equal Care Day-Initiative zugrunde liegt, meint also auch das ganz alltägliche, immer wiederkehrende Kümmern und Versorgen aller Haushaltsmitglieder, und das Wissen, die Organisation und Verantwortung (‘Mental Load’) die es dafür braucht. ‚Care‘ meint nicht nur die körpernahe Care-Arbeit, sondern schließt auch Kochen, Putzen, Reparaturen und alle Arbeiten im Haushalt mit ein, und beginnt in manchen Ländern schon mit dem Besorgen von sauberem Trinkwasser oder Brennholz.

Equal Care meint die faire und gleichwertige Verteilung von Sorgearbeit; fair nicht nur im Hinblick auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen arm und reich, alt und jung, zugezogen und alteingesessen. Equal Care bezieht alle Sorgetätigkeiten in ihrer Gesamtheit mit ein, ohne einzelne Care-Bereiche herauszugreifen und gegeneinander auszuspielen, um sie in gegenseitigen Wettbewerb zu setzen (professionell und privat, bezahlt und unbezahlt, Erziehung und Pflege, stationär und ambulant…). Gleichwertig bedeutet nicht, dass alle den gleichen zeitlichen Umfang an Care-Arbeit leisten müssten, damit eine faire Verteilung erreicht ist, aber Equal Care ist die Aufforderung an all jene, die von der (privaten) Sorgearbeit profitieren, insbesondere Staat und privatwirtschaftliche Unternehmen, Care nicht als Allgemeingut und Ressource auszubeuten zur eigenen Gewinnmaximierung.Equal Care ist der Appell, Verantwortung zu übernehmen, Care-Arbeit zu honorieren und einen gesellschaftlichen Ausgleich zu schaffen, damit Sorgetätige nicht finanziell und ideell bestraft werden für ihre systemrelevante Arbeit.

Mental Load bezeichnet die Last der alltäglichen, unsichtbaren Verantwortung für das Organisieren von Haushalt und Familie im Privaten, das Koordinieren und Vermitteln in Teams im beruflichen Kontext sowie die Beziehungspflege und das Auffangen der Bedürfnisse und Befindlichkeiten aller Beteiligten in beiden Bereichen. (Mehr unter > mentalload.equalcareday.de)

Der Gender Care Gap bezeichnet den Unterschied in der Zeitverwendung für die Sorgearbeit von Frauen und Männern und schließt auch die ungleiche Verteilung der Mental Load mit ein sowie die Lücke im praktischen und theoretischen Care-Wissen.Anders als die Definition, die dem Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zugrunde liegt, die nur die private, unbezahlte Care-Arbeit und den rein zeitlichen Aspekt berücksichtigt, beziehen wir alle bezahlten und unbezahlten Care-Tätigkeiten im privaten, ehrenamtlichen und im professionellen Bereich mit ein.
Denn liegt der Fokus allein auf der Lücke im privaten Haushalt, gerät aus dem Blick, dass vor allem bei jenen Paaren der Care Gap kleiner ist, die in der finanziellen Lage sind, Sorgearbeit auszulagern. Da diese Tätigkeiten in der Regel wieder von Frauen übernommen werden, bleibt so das grundsätzliche Problem der ungleichen Verteilung bestehen.
Der alleinige Fokus auf die Zeit macht darüberhinaus die notwendige Expertise und Verantwortung unsichtbar. Wird dieser Anteil schon im Privaten geringgeschätzt, hat das Auswirkungen auf die berufliche Honorierung.

Die OECD und die Kommission zum zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung definieren Arbeit nach der sogenannten Drittpersonenregel: Alles, was auch eine andere, unbeteiligte Person (gegen Bezahlung) erledigen könnte, ist Arbeit. Ich kann mir zwar ein Buch vorlesen, die Zusammenhänge und Verweise erklären lassen (und dafür bezahlen = Arbeit), verstehen muss ich den Inhalt jedoch letztlich selbst. Die Informationsaufnahme, den Bezug herstellen zu meinem eigenen Vorwissen und Geschmack, das kann mir niemand abnehmen (= keine Arbeit, auch wenn es mitunter anstrengend ist). Genauso wenig können andere für mich hören, sehen, fühlen, schmecken oder riechen, denken und lachen, frieren und schwitzen, spielen, Erinnerungen und Assoziationen aufrufen, Kreativität und Vorstellungsvermögen aktivieren – all das muss ich selbst tun, oder es findet eben nicht statt. Und beobachten ist etwas anderes, als selbst beteiligt zu sein, mittendrin. Ich kann niemanden dafür bezahlen, all diese Dinge für mich zu tun – Gedanken an Herz-Lungen-Maschinen und intravenöse oder Sondenernährung lassen wir bei dieser Definitionssuche besser außen vor.

Im Gegensatz dazu kann ich mich sehr wohl waschen lassen. Hin und wieder bleibt mir auch gar nichts anderes übrig: Ich lasse mir also die Haare schneiden und föhnen, lasse mich frisieren, epilieren und ondulieren, pedi-, mani- und sonstwie -küren, an- und ausziehen, tragen und ins Bett legen, werde rüber in den Sessel gehievt, lasse meine finanziellen Angelegenheiten klären, lasse für mich Entscheidungen trefffen, Behördengänge erledigen. Alle Tätigkeiten rund um Haushalt, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Auto, Garten und Einkäufe und was wir sonst noch an wiederkehrenden alltäglichen Verpflichtungen haben, all das ließe sich delegieren, man•frau muss sich nicht unbedingt selbst darum kümmern. Oft merken wir gar nicht mehr, was wir bereits alles und ganz selbstverständlich ausgelagert haben, wenn verarbeitete Lebensmittel bis hin zum Fertiggericht im Kühlschrank liegen, gerade die Kehrmaschine durch die Straße fährt, die Oma seit Ewigkeiten vor dem Fernseher sitzt und die Kinder noch viel länger vom Smartphone gebannt sind. Auch wenn dafür nicht bezahlt wird, manches möglicherweise unbezahlbar bleibt, all das ist Arbeit, die Zeit, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein braucht. Manches davon ist weniger dringend, vieles davon lässt sich allerdings nicht aufschieben ohne schwerwiegende Folgen, meistens für andere.“ (aus: Schnerring/Verlan ‚Equal Care. Über Fürsorge und Gesellschaft. Berlin 2020)

Care-Arbeit ist überwiegend “unsichtbare Arbeit”. Sie wird, genau wie der Schalttag 29. Februar, oft übergangen. Daher findet der Equal Care Day am 29. Februar in Schaltjahren und in allen anderen Jahren am 1. März statt. Der Equal Care Day liegt auch deshalb auf dem 29. Februar, weil Care-Arbeit zu 80% von Frauen übernommenwird, ob im Privaten, im Ehrenamt oder im professionellen Bereich. Männer übernehmen also 20% und brauchen damit vier Mal so lange, um denselben Umfang an Fürsorge- und Care-Arbeit beizutragen.

Das Video wurde im Rahmen des Lehrprojekts ‚Flipped Gender‘ erstellt, Projektleitung Prof. Dr. Almut Peukert, und entstand in Zusammenarbeit von Sophia Kleyboldt, mit der Illustratorin Lena Hällmayer und dem Motion Designer Georg Krefeld.

Care ist so viel mehr

Vielen Dank an Till Laßmann  für die Illustration!