Antje Schrupp

Dass mehr Frauen als Männer schlechtbezahlte oder unbezahlte Care-Arbeit leisten, wird ihnen oft als Defizit ausgelegt: Sie sind ja selber schuld, wenn sie schlecht bezahlte Berufe wählen oder wegen Familienarbeit im Berufsleben kürzer treten. Dabei sind wir als Gesellschaft doch dringend darauf angewiesen! Ich finde es auch falsch, die Lösung des Problems allein darin zu sehen, diese Arbeit gleichmäßiger auf Frauen und Männer zu verteilen. Denn solange diese Arbeit gering geschätzt wird, bleibt die Ungerechtigkeit zwischen Menschen, die Care-Arbeit machen, und solche, die das nicht tun, bestehen.

Mir wäre wichtig, dass sich die Debatte nicht auf die Frage der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ oder die „gerechte Verteilung der Hausarbeit“ beschränkt, sondern in einen größeren Kontext eingebunden bleibt. Dort, wo Care als Erwerbsarbeit organisiert ist, muss sie so gut bezahlt werden wie andere Erwerbsarbeit derselben Qualifikation und Verantwortlichkeit auch. Und dort, wo sie unbezahlt geleistet wird, muss ihr Wert für die Volkswirtschaft trotzdem anerkannt werden, sie darf also nicht als „Privatvergnügen“ oder „Freizeithobby“ gelten. Aber es geht nicht nur um Einzelmaßnahmen: Care-Arbeit wirklich zum Zentrum von Ökonomie zu machen bedeutet, dass man alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, neu denkt und vermeintlich Selbstverständliches hinterfragt. Private Care-Arbeit ist immer auch verbunden mit Themen wie Migration und Armut (wer putzt unsere Wohnungen, damit wir erwerbstätig sein können, und warum?), mit gewerkschaftlichem Engagement (wer passt auf die Kinder auf, wenn die Erzieherinnen streiken?), mit Fragen des Menschenbildes (was bedeutet Würde für Demenzkranke und wie verhält sich das mit betriebswirtschaftlicher Rentabilität von Pflegeeinrichtungen?). Es gibt hier keine einfachen Lösungen oder einzelne Stellschrauben, an denen wir nur ein bisschen drehen müssen. Konkrete Aktionen in einzelnen Bereichen sind sinnvoll, aber der Blick muss dabei immer auch auf das große Ganze gerichtet bleiben.

Antje Schrupp
Antje SchruppPolitikwissenschaftlerin und Journalistin
In ihrem Blog „Aus Liebe zur Freiheit“ sammelt sie „Notizen zur Arbeit der sexuellen Differenz“: www.antjeschrupp.com.
Sie ist auch Redakteurin von www.bzw-weiterdenken.de, ein feministisches Forum für Philosophie und Politik.

Foto: Lisa Mittel