Claudia Moll

Wie wird mein Kind versorgt, wenn ich arbeiten bin? Geht es meinem kranken Familienmitglied gut, auch wenn ich nicht ständig für sie da sein kann? Fragen, bei denen niemand die Schultern zuckt und sagt: Wird schon irgendjemand erledigen. Warum ausgerechnet unser soziales Fundament, das füreinander Sorgen und füreinander Verantwortung übernehmen im Alltag aus dem Visier gerät, ist mir ein Rätsel.

Ich habe 27 Jahre als Altenpflegerin gearbeitet, bevor ich in den Bundestag gewählt wurde. Ich bin oft gefragt worden, ob ich als Pflegerin keine Angst vor dem politischen Betrieb in Berlin habe. Nein: Ich hatte keine Angst. Angst hatte ich in den vielen Nachtdiensten, wo ich allein für 56 teilweise schwerstkranke Menschen verantwortlich war.

Als ich meine Töchter bekommen habe, konnte ich nicht arbeiten gehen. Es ging einfach nicht anders. Noch heute ist die Versorgung mit ganztägigen Kindergärten in großen Teilen dieses Landes ein großes Problem. Vor allem Frauen bleiben aus Mangel an Alternativen dann zuhause und sind finanziell abhängig von ihrem Partner. Ein unmöglicher Zustand und ein Rückschritt für die Selbstbestimmung der Frauen. Mit dem Rücken zur Wand stehen dann vor allem Alleinerziehende! Es kann kein Armutsrisiko werden, ohne Partner ein Kind groß zu ziehen!

Ich finde es klasse, dass sich immer mehr Menschen mittlerweile auch um ihre Kinder und erkrankten Familienangehörigen kümmern. Es wird auch Zeit! Mein Mann hat immer mit den Kindern Laternen gebastelt und wir haben uns bei den Kinderarztbesuchen abgewechselt. Und trotzdem werde ich in Berlin gefragt, wie mein Mann denn allein zuhause zurechtkommt. Wir sind noch lange nicht bei Gleichberechtigung von Care-Arbeit angekommen und vor allem fehlt mir die Wertschätzung!

Care-Arbeit muss mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt werden. Fürsorgetätigkeiten, ob beruflich oder privat, dürfen nicht größtenteils auf den Schultern von Frauen lasten. Diese Tätigkeiten verdienen endlich Anerkennung und Gleichberechtigung! Vor allem aber braucht es die Wertschätzung von uns allen.

Claudia Moll
Claudia MollMitglied des Bundestags und Altenpflegerin